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THEATER OBERHAUSEN: Die neue Spielzeit
Inzwischen gehört es schon fast zum Stadtbild: das neue Container-Dorf des Theaters Oberhausen. Trotz der Baustelle im Theater sendet es ein pastell-pink-gelbes Willkommens-Zeichen an alle, die über den weitläufigen Ebertplatz und durch die angrenzenden Straßen schlendern. In den Containern sind in der kommenden Spielzeit Dinge zu finden, die das Theater während der ein Jahr dauernden Umbauarbeiten nicht im Haus selbst anbieten kann: Die Theaterkasse ist eingezogen, es finden sich Waschräume, ein kleines Foyer und natürlich die Theatergastronomie von Hajo Sommers, ein liebevoll Container-Bar genannter Treffpunkt mit dem Schriftzug „Lonely Hearts Club“ hinter der Theke. Er gibt einen Vorgeschmack darauf, was sich das Theater für die Spielzeit 2025/26 vorgenommen hat: Das Theater Oberhausen möchte ein noch sichtbarerer und fühlbarerer Ort der Gemeinsamkeit werden. Der Spielplan und das vielfältige Rahmenprogramm feiern die Gemeinschaft und ergründen, welche Form von Einsamkeit wir aushalten wollen oder gar suchen.

Die Einsamkeit begleitet uns Menschen von der Geburt bis zum Tod. Sie kann eine Sehnsucht sein, die uns befällt. Aber auch eine Melancholie, die Schatten wirft. Nicht erst seit der Pandemie und dem Verlust an Verbindungsmöglichkeiten erleben Menschen allen Alters Verlassenheitsgefühle und Isolation. Zu große Einsamkeit macht nachweisbar krank und wirkt zerstörerisch, nicht nur für den einzelnen Einsamen, sondern auch im sozialen und politischen Gefüge. Menschen mit geringer gesellschaftlicher Teilhabe sind besonders häufig betroffen. Oder die, die sich den Normen nicht anpassen können oder wollen. Wer politisch einsam ist oder fallengelassen wird – wie die Ukraine, wie die queere oder die Trans-Community in den USA –, schwebt in Gefahr. Demokratie ist Kontakt und das Bekenntnis zur Gemeinschaft. Vereinzelung bedroht sie existenziell. Auch Aggression kann aus Einsamkeit entstehen: Viele spalten und polarisieren, ziehen sich in Blasen zurück und kultivieren Hass auf eine Gesellschaft, aus der sie sich ausgestoßen sehen.
Das Theater arbeitet seit 2.000 Jahren an Strategien gegen die Einsamkeit. Es ist schon immer Bekämpfung der Einsamkeit und Ort der Gemeinschaft. Es hat die Kraft zu verbinden, Menschen ins Gespr.ch zu bringen und Anziehung statt Abkapselung zu erzeugen. In der Spielzeit 2025/26 wird das Theater Oberhausen zum Ministerium gegen Einsamkeit und beschäftigt sich in den Produktionen des Abendspielplans und im Rahmenprogramm mit Themen rund um das Gemeinsam und das Alleinsein. Beim traditionellen Theaterfest am 6. September öffnet das Ministerium seine Türen, denn bei einem großen Fest lässt sich Gemeinschaft am besten erleben. Rund um das Container-Dorf auf dem Will- Quadflieg-Platz und im Theatergebäude erwartet das Publikum ein buntes Programm mit vielen Einblicken in die Theaterarbeit, zum Beispiel bei Führungen hinter die Kulissen, und ein Ausblick auf die neue Spielzeit und die neuen Spielorte des Theaters. Denn nicht nur die Container-Bar ist neu. Auch die Bühnensituation im Größen Haus hat sich verändert. Wegen der Umbaumaßnahmen im Vorderhaus und im Zuschauerraum sitzt das Publikum für die gesamte Dauer der Spielzeit mit auf der Bühne. Schon die erste Premiere auf dieser neuen Raumbühne im Größen Haus weiß diese besondere Bühnensituation zu nutzen. Das Schauspiel „Menschliches Repertoire“ hat der Autor Noah Haidle im Auftrag des Theaters Oberhausen geschrieben. Aus der besonderen Situation auf der tatsächlichen Bühne des Theaters Oberhausen macht er die Hinterbühne des Lebens. Denn nicht nur auf unserer Erde rumort es gewaltig, auch der Backstagebereich des Welttheaters steht vor dem Zusammenbruch. Hier stranden alle frisch Verstorbenen und werden von der Bühnentechnikerin Hollis empfangen. Eilig werden die Neuankömmlinge weiter in die Kantine geschickt, denn gemeinsam mit Kollege Bellamy ist sie vor allem damit beschäftigt, die Vorstellung „Menschheit“ am Laufen zu halten. Aber nicht alle lassen sich so einfach weiterschicken. Mit groteskem und bittersüßem Humor bewegen sich die Figuren zwischen Schmerz und Hoffnung. „Menschliches Repertoire“ wird dabei zu einem humanistischen Plädoyer, mit dem die neue Raumbühne am 19. September 2025 eröffnet wird.
Eine Woche vorher l.dt die Urban-Arts-Sparte bereits zu einer besonderen Show. Und sie hat viel vor: Mit einer Mischung aus Podcast und Spielen taucht das Tanzensemble des Theaters ein in die Welt des Hip- Hops – einschließlich der Themen Tanz, Gesang, Mode, Fitness, Battles, Livestyle und Social Media. Mit Ratings und Kommentaren kann das Publikum dazu Stellung nehmen und das Spiel beeinflussen. Am Ende steht die Frage, die uns alle beschäftigt und viele ratlos und einsam zurücklässt: Was ist real und was ist Fake? Ist es nur ein Spiel oder beginnt die Realität erst jetzt? Durch eine Kombination aus Tanz, Musik und Interaktion zeigt die Show „Gametime“, dass Hip-Hop weit mehr als nur ein Tanzstil ist – er ist Ausdrucksmöglichkeit, Identität und wie jeder Tanz immer schon ein Mittel gegen die Einsamkeit.
Ob die Einsamkeit eines korrupten Königs an der Spitze des Staates wie in der Shakespeare-Adaption „Sankt Falstaff“, das Knistern zwischen den bekannten Lonesome-Cowboys aus „Brokeback Montain“, die nicht zueinanderfinden können, oder der Bruderzwist in Schillers berühmtem Werk „Die Räuber“, das in Oberhausen schon auf eine lange Aufführungsgeschichte zurückblickt: Das neue Ministerium h.lt in der Spielzeit große Geschichten für das Publikum bereit und lädt dazu ein, sich der Einsamkeit gemeinsam stellen.