Stadtgespräch
Gleichstellung in Oberhausen
Julia Pietrasch ist die neue Gleichstellungsbeauftrage in Oberhausen.
Stabwechsel in der Gleichstellungsstelle, seit dem 7. April ist Julia Pietrasch die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen und zugleich neue Leiterin des Bereichs Chancengleichheit der Stadt. Sie löst Britta Costecki ab, die in leitender Funktion den Bereich Personal der Stadt übernimmt und deren Stellvertreterin Pietrasch seit 2012 war.

Julia Pietrasch übernimmt ihr neues Amt in einer Zeit, in der viele der Errungenschaften der letzten Jahre sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene erheblichen politischen Herausforderungen gegenüberstehen. Ob es um Frauenrechte, die Stellung der Frau in der Gesellschaft, Diversität, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt oder das Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit geht – insbesondere aus rechtsgerichteten politischen Kreisen werden diese Themen oft kritisch hinterfragt und teils vehement angegriffen. Ein wichtiges Mittel dieser Auseinandersetzungen sind die sozialen Medien, deren Einfluss laut Julia Pietrasch nicht unterschätzt werden darf. Um diesem „Roll-back“ entgegenzuwirken, „müssen wir jeden Tag aufstehen und uns der politischen Realität stellen. Das ist meine Aufgabe, und ich tue sie mit Überzeugung!“
Aufstehen für Demokratie
In Oberhausen hingegen spürt Julia Pietrasch eine große Zustimmung für die Arbeit der Gleichstellungsstelle. „Unsere Partner*innen empfinden unsere Arbeit als bereichernd. Ich schätze die enge Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung sehr, ebenso wie die langjährig gewachsenen Netzwerkstrukturen hier vor Ort, die aber auch über die Stadtgrenzen hinausreichen. Eine Gegenbewegung wie anderswo spüre ich in Oberhausen bisher nicht.“ Julia Pietrasch sagt aber dennochdeutlich, dass Demokratie kein Geschenk sei, sondern Arbeit. Man müsse für die freiheitlichen Werte einstehen. Um mehr Frauen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, führte die Gleichstellungsstelle im vergangenen Jahr zum Beispiel ein „Polit Dating“ durch, in dessen Rahmen Ratsfrauen interessierten Bürgerinnen Auskunft über dieses politische Engagement gaben. Auch wenn drei Fraktionen im Rat der Stadt Oberhausen von Frauen geführt werden, herrscht in den Gremien bisher doch ein deutlicher Überschuss an Männern.
Gleiche Bezahlung
Das Team der Gleichstellungsstelle wie auch des Bereichs Chancengleichheit wird auch in Zukunft die Herausforderungen nahe an den Bürger*innen angehen. „Hinter dem Schreibtisch werden wir keine Gleichstellung, keine Chancengleichheit erreichen. Das muss gemeinsam mit den Menschen hier vor Ort geschehen, auch um zu erfahren, was sie sich wirklich wünschen. Menschen müssen miteinander reden“, so Pietrasch.
Im Kalender finden sich dann zum Beispiel Mädchenaktionstage, Frauengesundheitstage, der Girls Day oder der Equal Pay Day. Schließlich belegen Studien und Tests, dass nach wie vor Frauen bei komplett gleichen Grundvoraussetzungen für die gleiche Tätigkeit weniger Entgelt erhalten.
Es gibt jedoch auch schwerwiegende Themen wie Gewalt gegen Frauen oder Prostitution, die besondere Aufmerksamkeit erfordern. In diesen Bereichen ist es wichtig, bestehende Schutzsysteme zu sichern und weiter auszubauen. Andere Themen betreffen vor allem geschlechtsspezifische Aspekte, wie zum Beispiel die Gesundheit von Frauen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Altersarmut und finanzielle Unabhängigkeit.
Julia Pietrasch möchte jungen Frauen vermitteln, dass Entscheidungen, die sie in jungen Jahren treffen, erst viele Jahre später eine soziale Auswirkung haben können, die möglicherweise benachteiligend für sie ist. Es gilt sich früh wirtschaftlich abzusichern, nicht nur wegen einer niedrigen Rente und möglicher Altersarmut. Diesbezüglich werden zum Beispiel extra Rentenworkshops angeboten. Parität, so Pietrasch, muss in den Köpfen entstehen, die Aufgaben in einer Familie sollten auf mehrere Schultern verteilt werden. Nach wie vor liegt nicht nur die Betreuung der Kinder, sondern auch die Pflege von Angehörigen überwiegend in den Händen der Frauen. Auch das wirke sich mangels Bezahlung wieder negativ auf die Altersvorsorge zahlreicher Frauen aus.
„Wir möchten Frauen fit machen für gleiche Chancen im Leben, fit machen für alle Eventualitäten, dass es für Frauen dieselben fairen Rahmenbedingungen gibt wie für Männer“, abschließend hebt Julia Pietrasch hervor, dass dieser Prozess gemeinsam und partnerschaftlich erarbeitet und entwickelt werden soll, ohne dabei eine belehrende Haltung einzunehmen.
Denn echte Gleichstellung gelingt nur, wenn sie als gemeinsames Ziel verstanden und getragen wird – von allen Menschen gleichermaßen. Es geht darum, Potenziale zu entfalten, Selbstbestimmung zu stärken und Strukturen zu schaffen, die Vielfalt und Chancengleichheit fördern. Nur so kann eine Gesellschaft entstehen, in der jede*r unabhängig vom Geschlecht die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe, Entfaltung und Absicherung hat.