Gutes Leben | Stadtgespräch

Sally Perel, Zeitzeuge, Freund und Ehrenringträger der Stadt Oberhausen, wäre am 21. April 100 Jahre alt geworden

Seit dem Jahr 2000 hat Sally Perel regelmäßig die Stadt Oberhausen und die Jugendlichen hier besucht. Er hat an vielen weiterführenden Oberhauser Schulen über sein Leben gesprochen und so mehr als 25.000 Menschen erreicht. Am 21. April wäre er 100 Jahre alt geworden, 2019 hat er der Volkshochschule zu ihrem 100-jährigen Jubiläum noch eine Videobotschaft geschickt. Sein Geburtstag fiel in die bewegte Zeit zwischen den Weltkriegen, als es große Hoffnungen gab und die Weimarer Reichsverfassung in Kraft trat, die erstmals eine Schulpflicht für alle vorsah, was für viele auch ein Recht auf Bildung bedeutete. Die Volkshochschulen erhielten Verfassungsrang, Erwachsenenbildung sollte von allen politischen Ebenen gefördert werden.

25.04.2025

Für Sally Perel war die Schulzeit in Peine bis Mitte der 30er die schönste Zeit in einem Deutschland, das in ihrer Erinnerung immer grün blieb. Das hat er immer wieder betont, genauso wie seine Begeisterung für Bildung, daher auch seine Verbundenheit mit der Volkshochschule in Oberhausen.  Aber ab dem elften Lebensjahr konnte er seine eigene Schulzeit nie wirklich ideologie- und angstfrei vervollständigen. Nach dem deutschen Verweis aus der Schule als jüdisches Kind und Flucht nach Lodz besuchte er für eine kurze Zeit eine polnische Schule. Seine Liebe zur polnischen Sprache hat er dann in Oberhausen jedes Jahr im Gdanska mit Maria und Czeslaw Golebiewski gepflegt. Von Lodz musste er als Jugendlicher weiter fliehen, zwei Jahre Komsomolzenschule in Weißrussland und dann schließlich die Hitlerjungenschule in Braunschweig für vier Jahre „versteckt in der Haut des Feindes“ beendeten die Schulzeit. Weder die Schule noch eine andere Bildungslaufbahn konnte er formal wirklich zu Ende führen, dabei lernte er so gerne. Er hat unermüdlich der Jugend in Oberhausen erklärt, wie schön es ist, in Frieden und Freiheit gemeinsam zu lernen. In Deutschland las er viele deutschsprachige Romane und Sachbücher, war immer historisch und politisch gut informiert und hat als politischer Mensch das komplexe Weltgeschehen bis zum Schluss reflektiert. Das hat ihn in Oberhausen zu einem begehrten und spannenden Gesprächspartner gemacht.

Er kam den Jugendlichen nah, weil er ihnen von seiner eigenen Jugend auf Augenhöhe erzählt hat. Er war der beste Geschichtslehrer, weil er wusste, wie es war, ein Jugendlicher zu sein und mit 16 Jahren zu lieben, Angst zu haben und vieles mehr. Nach den Lesungen standen die Leute in langen Schlangen, um sich mit ihm zu unterhalten, sich umarmen zu lassen, Fotos zu machen und sich in mehreren Sprachen zu verabschieden. Er war Atheist, aber hat sich als Mensch für Frieden eingesetzt, für „Shalom“ und „Salaam“, für Israel und Palästina. Er hat sich dafür eingesetzt, dass in Oberhausen ein Filmfestival in seinem Namen stattfindet, das voraussichtlich im November seine Fortsetzung findet unter dem Namen „Novembertage – In Gedenken an Sally Perel“. Das Festival wird eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – zwischen historischen Umbrüchen und heutigen Herausforderungen für Demokratie und Menschenrechte.

Sally Perel hat sich für das friedliche Zusammenleben der Jugend eingesetzt. Er hat die Jugend als Zukunft gesehen und als politisch bedeutsam. Er hat den Jugendlichen den Auftrag gegeben, „Zweitzeugen“ seiner Geschichte zu werden. Er hat sie immer mit großem Respekt angesprochen und ihnen gesagt, wie wichtig sie für die Zukunft sind. Die Jugendlichen und die Freundschaften inklusive unzähliger Umarmungen von Jugendlichen und Grundschulkindern bleiben dem Kulturdezernenten Apostolos Tsalastras und den VHS-Mitarbeitenden lebendig vor Augen. Das gilt auch für die Filmfestival-Veranstaltenden, insbesondere die Gedenkhalle, den Dokumentarfilmer Volker Köster, der eine Lesereise filmisch begleitete, für die Schulen und viele Lehrkräfte und nicht zuletzt für die Autorinnen und Autoren des Buches über ihn „Du sollst leben“.

Die Stadt, das Kulturdezernat, die Volkshochschule und die Stadtgesellschaft blicken auf eine sehr berührende und bewegende gemeinsame Zeit zurück und werden ihn weiter vermissen. Sein Vermächtnis an die Menschen in Oberhausen wird in Ehren gehalten und die Erinnerung wachgehalten. „Ruhe in Frieden/Shalom und Salaam, auf den Weltfrieden, lieber Freund Sally!