Kunst & Kultur | Stadtgespräch

Chanukka-Fest: Jüdische Gemeinde entzündet Kerze im Rathaus

Kerzen, Segenssprüche, koschere Krapfen und Musik: Die Szene am Donnerstagabend vor dem Ratssaal war eher ungewöhnlich für das Rathaus an der Schwartzstraße. Die Jüdische Gemeinde Duisburg – Mülheim – Oberhausen war gekommen, um in Gesellschaft von Bürgerinnen und Bürgern und Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung die erste Kerze des diesjährigen Chanukka-Festes zu entzünden. Oberbürgermeister Daniel Schranz begrüßte die Gäste aber zunächst im Ratssaal.

08.12.2023
Foto: Tom Thöne

Oberbürgermeister Schranz heißt Jüdische Gemeinde im Ratssaal willkommen

Dieser Saal ist die Herzkammer der kommunalen Demokratie in unserer Stadt: Hier beschäftigen wir uns regelmäßig damit, wie es um unsere Demokratie bestellt ist – und auch, was sie bedroht. Antisemitismus gehört ganz sicher dazu!“, sagte der Oberbürgermeister: „Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie heute hier sind und das wir heute im Rathaus den ersten Abend von Chanukka gemeinsam begehen.“

Chanukka sei ein Fest der Freude und Zuversicht – die in diesem Jahr eingeschränkt sei durch das Geschehen in Israel, sagte Schranz mit Blick auf den brutalen Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober und den dadurch entbrannten Krieg. Das könne nicht ausgeblendet werden: „Und dennoch ist es wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren“, betonte der Oberbürgermeister: „Licht in dunklen Zeiten – das ist eine Botschaft, die in diesem Jahr vielleicht noch wichtiger ist als sonst.“

 

Oberrabbiner Geballe entzündet erste Chanukka-Kerze

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Dmitrij Yegudin, bedankte sich für die Freundschaft mit der Stadt Oberhausen und die Gelegenheit, in Oberhausen die erste Kerze des diesjährigen Chanukka-Festes zu entzünden. Mit Blick auf die Situation auf Nahost und die Auswirkungen des Krieges weltweit betonte Yegudin seine Hoffnung auf Frieden.

Im Foyer entzündete Oberrabbiner David Geballe die erste Kerze auf der Chanukkia, dem achtarmigen Leuchter speziell für dieses Fest. Es erinnert an das Öl-Wunder nach dem Sieg der Juden über die hellenistischen Besatzer vor rund 2190 Jahren. Nach der Überlieferung hätte das Öl, das im zurückeroberten und wieder geweihten Tempel noch gefunden wurde, den Leuchter nur einen Tag leuchten lassen können – und brannte dann doch acht Tage. An Chanukka wird also an acht Abenden hintereinander jeweils eine Kerze mehr entzündet. Familien kommen zusammen, essen in Öl Gebackenes wie Kartoffelpuffer oder Krapfen, singen und spielen miteinander. Kinder bekommen jeden Abend ein Geschenk.

Stadtgespräch

Stadt Oberhausen gedenkt mit jüdischen Gemeinden der Opfer der Reichspogromnacht

Eine Bronzetafel erinnert in der Friedenstraße am Haus Nummer 24 an den Ort, an dem die Oberhausener Synagoge stand: Nicht einmal 40 Jahre konnte die jüdische Gemeinde Oberhausen dort ihre Gottesdienste feiern, bis Nationalsozialisten sie in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 niederbrannten. Am Abend des 9. November 2022 erinnerten wieder Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Verwaltung, der jüdischen Gemeinden, aus Schülerschaft und Stadtgesellschaft an die jüdischen Oberhausenerinnen und Oberhausener, die in der Reichspogromnacht vor 84 Jahren, aber auch in den Wochen, Monaten und Jahren davor und danach Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden.

10.11.2022
Bürgermeister Werner Nakot, Oberrabbiner David Geballe von der Jüdischen Gemeinde Duisburg – Mülheim – Oberhausen und Lev Schwarzmann, Vorsitzender der liberalen jüdischen Gemeinde Perusch (v.r.) widmeten den Oberhausener Opfern der Reichspogromnacht einen Kranz. Foto: Stadt Oberhausen / Tom Thöne

Bürgermeister Werner Nakot betonte in seinem Grußwort, dass dieses Gedenken nicht nur die Würde der Menschen gebiete, die terrorisiert, deportiert und ermordet wurden; die deutsche Gesellschaft müsse sich ihrer Geschichte weiter bewusst sein, um auch in der Gegenwart und in Zukunft wachsam zu bleiben. „Wir müssen Übergriffe benennen, müssen konsequent gegen Antisemitismus und Ausgrenzung aufstehen, gegen Rechtsradikalismus und Rassismus vorgehen“, sagte Nakot mit einem Hinweis auf die in NRW stark gestiegene Zahl der angezeigten antisemitischen Straftaten.

Gemeinsam mit David Geballe, dem Oberrabbiner der jüdischen Gemeinde Duisburg – Mülheim – Oberhausen, und Lev Schwarzmann, dem Vorsitzenden der liberalen jüdischen Gemeinde Perusch, widmete Bürgermeister Nakot den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt einen Kranz, die Opfer des Pogroms vom 9. November 1938 wurden. Oberrabbiner Geballe sprach ein Gebet für die Menschen, die ums Leben kamen, Gemeinde-Vorsitzender Schwarzmann erinnerte auch an die nichtjüdischen Menschen, die Jüdinnen und Juden vor ihren Verfolgern versteckten; diese vom Staat Israel als „Gerechte unter den Völkern“ Geehrten hätten nicht nur Menschen gerettet, sondern auch die Hoffnung und den Glauben an die Menschlichkeit, zitierte Schwarzmann die frühere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir.

Schülerinnen und Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums berichteten stellvertretend für alle verfolgten jüdischen Oberhausenerinnen und Oberhausener vom Schicksal der jüdischen Holtener Familie Wolf. Die große Familie war seit dem 18. Jahrhundert in Holten verwurzelt, wurde aber nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zunehmend ausgegrenzt. Die meisten Familienmitglieder wurden in KZs deportiert und ermordet. Seit dem Frühjahr erinnern Stolpersteine vor dem Haus Nummer 36 an der Holtener Wasserstraße an die Familie.

Die Schauspielerinnen Anke Fonferek und Maria Lehberg des Theaters Oberhausen lasen anrührende Texte der jüdisch-kanadischen Künstlerin Bernice Eisenstein, deren Eltern den Holocaust überlebt hatten, und der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko. Mit einem Lied für den Frieden setzten Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Realschule den Schlusspunkt für die Gedenkfeier, zu der fast 200 Menschen in die Friedenstraße gekommen waren.